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1947

Horst Wessel in Saigon

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02.08.1947

Es tut sich was in Indochina

 

Die feisten Wirte der Hafenkneipen von Saigon reiben sich schmunzelnd die Hände. Noch nie haben sie so viel scharfen Reisschnaps verkauft wie in diesen Tagen. Ihre gelbhäutigen Kellner haben alle Hände voll zu tun, um die in vielen Sprachen an ihr Ohr schwirrenden Bestellungen auszuführen. Ihre Schweißtropfen werden reichlich belohnt.

Frankreichs Fremdenlegionäre (unter denen sich nach Berichten englischer und französischer Korrespondenten ungefähr 20 000 Deutsche einschließlich mehrerer tausend SS-Männer befinden) knausern nicht mit den Centimen. Sie geben gern eine Runde aus, bevor sie in das mörderische Klima und die Gefahren der Dschungel Indochinas marschieren. Und es kommt vor, daß sie einen über den Durst trinken.

Dann ziehen sie gröhlend durch Saigons Straßen. Ein Sonderberichterstatter des Pariser "Populaire" meldet, in diesen nächtlichen Stunden feiere das Horst -Wessel-Lied fröhliche Auferstehung. Die Eingeborenen und auch die meisten Europäer stört das nicht weiter. Sie kennen das Lied nicht.

Nur ein Mann spitzt die Ohren: Emile Bollaert, der französische Hochkommissar für Indochina. Er hat die Melodie noch nicht vergessen. Auch die Sänger sind keine Unbekannten für ihn. Bollaert hat die beiden letzten Kriegsjahre als Gefangener der SS im Konzentrationslager Belsen zugebracht.

Doch der 47jährige Kolonialkommissar in Zivil hat wenig Zeit, sich um die Liedertexte der Legionäre zu kümmern. Als er Ende März den Admiral d'Argenlieu ablöste, der die Uniform wieder mit der Kutte eines Karmelitermönchs vertauschte, fand er ein dickes Sorgenbündel als Erbschaft vor.

Bollaert, ein Freund Herriots und de Gaulles, tat sein Möglichstes, um einen Ausgleich mit der franzosenfeindlichen Vietnam-Regierung und ihrem spitzbärtigen Chef Ho Chi Minh zu finden. Er stoppte weitere Vergeltungsaktionen der französischen Truppen. Es gab keine großen Schlachten mehr. Der Kleinkrieg ging weiter.

Der massive Nordfranzose mit der Hornbrille, einst führender Mann der "Résistance", sah sich nun selbst einer Widerstandsbewegung gegenüber, die mit allen Mitteln asiatischer Grausamkeit um die Unabhängigkeit ihres Landes kämpfte.

Nun ist ihm der Geduldsfaden gerissen. "Dieser sinnlose Guerilla-Krieg muß endlich aufhören. Denn am Ende wird es weder Sieger noch Besiegte geben".

Gleichzeitig kündigte der radikalsozialistische Hochkommissar neue Vorschläge für die Zukunft des Landes an. In politischen Kreisen Saigons will man wissen, daß Frankreich den ehemaligen Kaiser von Annam, Bao Dai, an die Spitze einer vorläufigen Regierung der Republik Vietnam stellen will.

Bao Dai, der 34 Jahre alt ist und jetzt in Hongkong lebt, hatte im August 1945 abgedankt. "Lieber will ich ein freier Bürger sein als ein versklavter Monarch". Das waren seine Abschiedsworte an die Franzosen.

Der Ex-Kaiser hat es sich überlegt. Er will zurückkommen.

Stufen zum Ende

Indochinas neuer Mann: Emile Bollaert

DER SPIEGEL 31/1947
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