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VON JULIA HAGENACKER - zuletzt aktualisiert: 07.01.2012
Friedrich Falkenberg ist 22 Jahre alt, als er sich 1955 entschließt, sein Leben und seinen guten Job in Deutschland an den Nagel zu hängen und für Frankreich in den Kampf zu ziehen. Was genau ihn als Kriegskind damals dazu trieb, kann der 78-Jährige aus Kaarst bis heute nicht erklären. "Irgendetwas hat mich gezogen", sagt er. Wahrscheinlich war es – auch, wenn es paradox klingt – Lebenshunger: Neugier und die Lust am Abenteuer, gepaart mit einer die Entscheidung in gewisser Weise erleichternden Unwissenheit. Falkenberg zieht zur "Légion étrangère", zur Fremdenlegion.
Das 1831 von König Louis Philippe für die Kolonialisierung Algeriens gegründete und später in fast allen Kolonialkriegen eingesetzte Heer der Ausländer, die für Frankreichs Interessen kämpfen, genießt in Deutschland damals wie heute nicht den allerbesten Ruf. Die Legion sei ein Söldnertrupp, der Gescheiterte und Kriegssüchtige aus allen Ländern aufnimmt, der nicht nach deren Lebensgeschichte fragt und sich mit falschem Namen zufrieden gibt, heißt es.
Wenn Friedrich Falkenberg so etwas hört, macht ihn das wütend. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland kämpft der ehemalige Adjudant-Chef gegen Pauschalurteile, für Wertschätzung und für Anerkennung. "In Frankreich", sagt er, "könnte ich noch heute an jede Türe klopfen." In Deutschland schlage man sie ihm im Zweifel vor der Nase zu.
Der zweifelhafte Ruf der Freiwilligentruppe hat seinen Ursprung in der Vergangenheit. Lange Zeit galt die Legion als Auffangbecken für Kriminelle. Die Deutschen machten nach dem Zweiten Weltkrieg einmal zwei Drittel der Soldaten aus. Darunter, das sagt auch Friedrich Falkenberg, seien nicht immer die allerhellsten Köpfe gewesen.
Viele waren ehemalige Mitglieder der Wehrmacht und Gerüchten zufolge auch der Waffen-SS. "Schwer- oder gar Kriegsverbrecher", sagt Falkenberg, "wurden aber nie genommen." Grundsätzlich galt: Wer in die "Légion étrangère" eintrat, ließ die Vergangenheit hinter sich. Das ist auch heute noch so. Wer sich als Legionär verpflichtet, hat keinerlei Bindungen, ist automatisch ledig, kann nach drei Jahren Dienstzeit die französische Staatsbürgerschaft erlangen und eine neue Identität annehmen.
Friedrich Falkenberg hat das nie getan. Er war ehrgeizig, fleißig und hatte eine solide Ausbildung beim Ausbesserungswerk der Reichsbahn vorzuweisen. Deshalb hat er in Frankreich Karriere gemacht. Deutscher ist er dennoch geblieben. 1964 durfte der damals 31-Jährige heiraten, weil sein Dienstgrad hoch genug war. Bis zum Tod seiner Frau 1997 lebte mit seiner Familie – drei Kindern und sieben Enkeln – auf Korsika.
Er war unter anderem in Algerien, Marokko und Indochina stationiert, bis 1981. Mit seiner neuen Lebensgefährtin kehrte er schließlich nach Deutschland zurück. Die Zeit als französischer Soldat hat er nie bereut. "Für mich persönlich", sagt der 78-Jährige heute, "ist das nach wie vor eine ganz besondere Truppe. Als Fremdenlegionär war man wer. Ich frage mich, warum man das in Deutschland anders sieht."