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1959

WER DESERTIERT, MUSS ALEMANI RUFEN Die Flucht aus der Fremdenlegion / Von Si Mustapha

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02.09.1959

Von Mustapha, Si

 

Zum ersten Male enthüllt der Leiter des Rückführungsdienstes für Fremdenlegionäre in Algerien in diesem Bericht Einzelheiten über die Tätigkeit seiner Organisation, die von der "Provisorischen Regierung der Algerischen Republik" gebildet worden ist und mit den Stäben der algerischen Befreiungsarmee eng zusammenarbeitet. Si Mustapha ist 33 Jahre alt und deutscher Herkunft. 1953 kam er in Paris mit Anhängern der Algerischen Befreiungsfront (FLN) in Berührung, ging später noch Nordafrika und wurde politischer Kommissar in der Befreiungsarmee. Seine Organisation hat bisher 3000 desertierten Fremdenlegionären - von denen jeder zweite ein Deutscher ist - die Rückkehr in die Heimat ermöglicht. Die von Si Mustapha und seinen Männern seit 1957 betriebene "Abwerbung" dient dem Zweck, die Kampfkraft der etwa 35 000 Soldaten zählenden Legion, die noch dem Ende des Indochina-Krieges im Sommer 1954 gegen die algerischen Rebellen eingesetzt wurde, systematisch zu schwächen.

Die Franzosen sind nicht gut auf mich zu sprechen. Kein Wunder. Sie verdanken meinem Dienst den Verlust von Soldaten, die zusammen mehr als ein kriegsstarkes Regiment bilden könnten. Diese Zahl betrifft nur Legionäre, die wir über die westalgerische Grenze, also über Marokko - früher auch über das spanische Rio de Oro - repatriiert haben. Hinzu kommen noch die Repatriierungen über die ostalgerische Grenze, also über Tunesien und Libyen, deren Behörden sich selbst um die Überläufer kümmern.

Seit 1957 haben wir allein über Marokko 2814 Fremdenlegionäre weitergeleitet. Die meisten davon wie überhaupt die meisten Fremdenlegionäre sind Deutsche, von denen ein großer Teil ursprünglich dem Gebiet der DDR entstammt.

Die von uns Repatriierten verteilen sich auf folgende Nationalitäten: 1952 Deutsche, 443 Spanier, 397 Italiener, 53 Ungarn, 39 Jugoslawen, 34 Belgier, 32 Schweizer, 27 Österreicher, 17 Holländer, 15 Skandinavier, neun Engländer, sieben Luxemburger, fünf Amerikaner, drei Griechen, ein Türke. Über Tunesien und Libyen werden ebenfalls einige hundert Legionäre nach Hause gekommen sein - die Legion operiert ja hauptsächlich in Westalgerien.

Mehr als die Hälfte der Repatriierten waren noch minderjährig. Die jüngsten von ihnen, die wir bisher nach Hause geschickt haben, waren der Deutsche Siegfried von Adlerhorst, der im Alter von 15 Jahren Legionär geworden war, und der ungarische Flüchtling Joseph Csendes, der seinen 16. Geburtstag in einer Auffangstelle der Fremdenlegion in Lyon feierte, einige Monate später bei uns erschien und über das Internationale Rote Kreuz in die Schweiz gebracht wurde. Adlerhorst wurde von der deutschen konsularischen Vertretung in Marokko nach Hause geschickt.

Die Mehrzahl der minderjährigen Legionäre ist zwischen 18 und 21 Jahren alt, aber wir stoßen doch immer wieder auf noch jüngere. Dabei geben die Franzosen selbst als Mindestalter für den Eintritt in die Fremdenlegion 18 Jahre an. Auch nach französischem Recht darf sich ein noch Jüngerer nicht verpflichten. Die Legion hilft sich, indem sie die Betreffenden auf ihren Papieren einige Jahre älter macht, bei konsularischen oder anderen Nachforschungen falsche Auskünfte gibt - zum Beispiel die Existenz des Betreffenden überhaupt abstreitet - und die Legionäre dazu ermuntert, einen falschen Namen anzugeben.

Ein typisches Beispiel dafür ist der Minderjährige Adolf Küstner. Seine Mutter ließ nach ihm fahnden, unter anderem über Interpol, das deutsche Generalkonsulat in Marseille und die deutsche Botschaft in Paris. Die Legion bestritt, von ihm zu wissen. Wir haben festgestellt, daß er - unter dem neuen Namen Hans Keltin und zwei Jahre älter gemacht - bei einer Legionärseinheit in Sidi Bel Abbes dient - gegen seinen Willen.

Die Franzosen behaupten immer wieder, daß sie nicht nötig hätten, jemanden gegen seinen Willen in die Legion zu pressen. Man kann auch nicht bestreiten, daß ein großer Teil der Deutschen, die schließlich in der Legion landen, durchaus Neugier und "Interesse" zeigten. Sie glauben, ihre Neugier ohne allzu großes Risiko befriedigen zu können, weil man ihnen von einer Probezeit erzählt und keineswegs eine sofortige Verpflichtung verlangt. Außerdem verspricht man ihnen Prämien, die allerdings nur selten ausgezahlt werden.

Im Vertrauen darauf, jederzeit zurückzukönnen, betreten diese Jugendlichen die Rekrutierungsstellen. Dort versucht man, ihnen das Gefühl zu nehmen, daß die Legion sie unbedingt haben wolle. Sie werden dabei so geschickt psychologisch bearbeitet, daß jeder schließlich davon überzeugt ist, die Legion sei für ihn genau das Richtige. Sie unterzeichnen zahllose Papiere, deren Text man ihnen nicht übersetzt. Sie erfahren auch nicht, daß sie sich erst in Marseille endgültig verpflichten werden. Um vor Absprüngen auf dem Transport sicher zu sein, nimmt man ihnen ihre Zivilkleidung ab und steckt sie in alte Uniformen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Sie "dürfen" ihr Hab und Gut der

Legion entweder "schenken" - darauf stützt sich ein späterer Anspruch auf Wiedereinkleidung bei der Rückkehr ins Zivilleben - oder "verkaufen". Für Anzug, Mantel und vielleicht noch eine Aktentasche gibt es etwa acht Päckchen Zigaretten. Zigaretten gehören in der Legion erst nach einigen Monaten Ausbildung zur Verpflegung.

Einige Zeit später geht der Transport nach Marseille, wo die letzte, jedoch offiziell nicht bekanntgegebene Möglichkeit besteht, eine Verpflichtung abzulehnen. Legions-Kandidaten, die von dieser Möglichkeit erfuhren und sich in Marseille wiederabmelden wollten, bezogen für diesen Versuch vor versammelter Mannschaft eine Tracht Prügel und wurden für zwei bis drei Monate ins Gefängnis geworfen. Wer dennoch standhaft blieb, wurde schließlich "freigelassen" - ohne irgendwelche Papiere. Die französische Polizei nahm solche "Kunden" sofort wieder in Empfang.

In Marseille ereignen sich bereits zahlreiche Fluchtversuche. Alle paar Tage wird jemand mit gebrochenen Beinen vor der Mauer des Fort St. Nicolas aufgefunden. Dank einer Organisation, über die ich mich verständlicherweise nicht näher verbreiten möchte, können wir schon in Fort St. Nicolas manche Legionäre "abwerben". Viele dieser Jungen bereuten schon längst, sich mit der Legion eingelassen zu haben.

Der Legion gilt unser besonderes Interesse, weil sie in Algerien - ebenso wie die "Paras", die Fallschirmjäger - zu besonders schmutzigen "Arbeiten" herangezogen wird. Das macht manche Legionäre unzufrieden und weckt in ihnen den Wunsch, "auszusteigen".

Man will sich in Deutschland - und anderswo - offensichtlich keine Vorstellung davon machen, was in Algerien vor sich geht. In den fast fünf Kriegsjahren sind Hunderttausende von Algeriern umgekommen, davon nur ein kleiner Teil bei militärischen Operationen - der größte Teil bei Vergeltungsaktionen der Franzosen, denen fast ausschließlich Zivilisten zum Opfer fallen*.

Die Hauptlast der Kämpfe trägt auf französischer Seite die Fremdenlegion. Aber ihre Schläge richten sich nicht nur gegen die algerische Befreiungsarmee, sondern vielmehr gegen die Bevölkerung. In blinden Säuberungsaktionen, sogenannten "ratissages", werden von der Legion auf Befehl ihrer französischen Offiziere ganze Dörfer mitsamt ihrer Bevölkerung - ohne Rücksicht auf Alter oder Geschlecht - vernichtet. Daß vornehmlich die Fremdenlegion mit solchen schmutzigen Aufgaben betraut wird, gibt manchen französischen Links-Intellektuellen Gelegenheit zu einer makabren Entschuldigung. "Es sind ja nicht unsere Jungen, die so etwas machen", sagen sie, "sondern - die Deutschen". Der deutsche Anteil an der Legion beträgt etwa siebzig Prozent.

Legionäre, die zu uns kommen, berichten ausführlich von den Verbrechen ihrer Einheiten - besonders, wenn sie merken, daß wir selbst genau darüber Bescheid wissen. Die meisten beteuern natürlich, daß es immer "die anderen" gewesen seien. Aber es gibt auch Legionäre, die ihre eigene Schuld zugeben und sich auf die Befehle ihrer französischen Vorgesetzten berufen.

Wir hätten Beweise genug, solche Leute vor unsere Kriegsgerichte zu stellen. Wir Halten uns aber an die Zusicherung unserer Regierung, daß alle freiwillig zu uns kommenden Fremdenlegionäre nach Hause geschickt werden. Zwar habe ich es bei meiner Arbeit oft mit kriminellen Elementen zu tun, aber ich möchte nicht verschweigen, daß ich mit manchen anderen Mitleid habe.

Die meisten der zu uns kommenden Legionäre schreckten schließlich vor der Größe des Verbrechens zurück, das ihnen

- oft halben Kindern - zugemutet wurde.

Wenn einer schon in die Legion geht, weil er in der Heimat die Folgen eines kleinen Diebstahls fürchtet - und viele kommen ohne kriminelle Vorgeschichte aus reiner Abenteuerlust in die Legion -, wie muß er dann reagieren, wenn er im großen Stil Mord, Folterungen, Brandschatzungen und Plünderungen begehen soll? Die Legions -Offiziere haben zudem die Gewohnheit, gerade diejenigen, die sichtlich anständiger sind, zu den schmutzigsten Aufträgen einzuteilen.

Legionäre, denen dieses grausame Geschäft zuwider war, haben schließlich den Anstoß zur Gründung meines Dienstes gegeben. Mit der Verschärfung des Krieges und der französischen Repressalien gegen die algerische Bevölkerung häuften sich im Jahre 1956 auch die Desertionen. Diese Deserteure hatten damals wirklich keinen Anlaß, auf algerische Hilfe zu hoffen. Den Rückführungsdienst gab es noch nicht, und die französische Propaganda verkündete stets, daß wir "verirrte" französische Soldaten auf grausame Weise umbringen würden.

Diese geflohenen Legionäre stellten uns vor nicht geringe Probleme. Die Nachbarländer Algeriens waren noch in französischer Hand. Wir hatten in Tunesien und Marokko noch keinerlei Organisation, keine sicheren Wege zu ausländischen Vertretungen, die sich um ihre Staatsbürger hätten kümmern können. Die ersten Entflohenen mußten also monatelang bei unseren Kampfgruppen im algerischen Maquis bleiben, lagen unseren Truppen auf der Tasche und waren daher eine starke Belastung für uns.

Im Herbst 1956 ließ mich der damalige Kommandant unseres westalgerischen Militärbezirks, Colonel Abd el-Hafid Bussuf (heute Minister in der Provisorischen Regierung), als Dolmetscher kommen, um mit einer solchen Gruppe von Fremdenlegionären zu sprechen. Die Berichte dieser Legionäre über die Zustände in ihren Einheiten, über ihre Aufgaben und ihre Tätigkeit brachten uns auf den Gedanken, die Legion in unsere eigene psychologische Kriegführung mit einzubeziehen. Damals wurde beschlossen, den Rückführungsdienst einzurichten, der bald danach seine Arbeit aufnahm.

Zunächst mußten wir sichere Passagen durch Marokko organisieren, das zwar schon selbständig, aber noch von französischen Truppen besetzt war. Wir mieteten Häuser, in denen die Legionäre versteckt werden konnten. Wir mußten Geld für Transport und Verpflegung zur Verfügung stellen. Zunächst schafften wir die Legionäre nur nach Spanisch-Marokko. Dort hatten wir ein Abkommen mit der Polizei geschlossen, der wir die Heimkehrer übergaben. Allerdings wurden Legionäre aus Ländern, die in Spanisch-Marokko keine Vertretung hatten oder deren Vertretung sich nicht finanziell engagieren wollte, monatelang in Gefängnissen festgehalten und schließlich von der spanischen Polizei wieder an die Franzosen ausgeliefert. Das betraf hauptsächlich Belgier und Österreicher sowie Angehörige der Ostblockstaaten.

Eine Legionärsrevolte im Gefängnis von Nador in der damals spanisch besetzten Zone Marokkos machte uns auf die kritische Lage dieser Männer aufmerksam. Die Legionäre erschienen nach einem Ausbruch aus dem Gefängnis im Büro der Algerischen Befreiungsfront und erklärten: "Sie haben uns aus Algerien herausgebracht und uns gut behandelt - warum müssen wir dann jetzt als Gefangene unter solchen Bedingungen leben?" Damals beschlossen wir, unsere eigene Auffangstelle einzurichten, die jeden einzelnen Legionär bis zum ordentlichen Rücktransport in seine Heimat betreuen sollte. Diese Dienststelle legten wir nach Tetuan.

Gleichzeitig begannen wir mit psychologischen Aktionen gegen die Legion in Algerien, aber auch in Marokko, wo noch ihr zweites Pionierregiment und ihr viertes Infanterieregiment stationiert waren. Wir schleusten Flugblätter in die Kasernen der Legion, auf denen die Entflohenen ihren Kameraden von ihrer Flucht und ihrer Aufnahme bei uns erzählten. Wir konnten schließlich ein regelrechtes Agentennetz innerhalb der Legion schaffen.

Unsere Agenten sprachen Legionäre in Kaschemmen und Bordellen an und versuchten sie zur Flucht zu überreden. Mit deutlichem Erfolg: Die beiden in Marokko stationierten Regimenter hatten nach etwa drei Monaten die Hälfte ihres Mannschaftsbestandes durch Desertion verloren und wurden in die Wüste Algeriens beziehungsweise Mauretaniens verlegt. Wir hatten hierbei nur einen Verlust: meinen Stellvertreter, der in Marrakesch der Polizei der Legion in eine Falle ging und in einem Lokal erschossen wurde.

In Algerien hatten wir ähnlich gute Resultate. Allerdings mußte die Befreiungsarmee die Zivilbevölkerung, die bis dahin Legionäre nur mit Furcht und Haß betrachtet hatte, erst daran gewöhnen, den Entflohenen Hilfe zu leisten. Den Legionären ließen wir den Rat zukommen, sich in das nächste algerische Dorf außerhalb ihrer Garnisonstadt durchzuschlagen und sich dort als "Alemani" (Deutscher) zu erkennen zu geben. Alemani ließen wir sicherheitshalber auch die Legionäre anderer Nationalität sagen, um die Prozedur zu vereinfachen.

Auf die Bevölkerung mußten wir anfangs einigen Druck ausüben, damit sie die entkommenen Legionäre der Befreiungsarmee übergab. Geflüchtete Legionäre an die Franzosen zu verraten, wurde deshalb von unserer Armee unter Todesstrafe gestellt. Die Franzosen boten für jeden verratenen Legionär 15 000 Franc - für einen algerischen Bauern ein Vermögen.

Unsere Truppen können sich bei ihren Märschen durch Algerien verständlicherweise nicht nach den Interessen der Legionäre richten, die möglichst schnell nach Hause kommen wollen. Die meisten geflohenen Legionäre werden Schwerverwundeten-Transporten zugestellt und mit diesen nach Marokko oder Tunesien gebracht. Das klingt einfach, aber, es bedeutet unter Umständen - nicht immer - wochenlange Märsche unter schwersten Entbehrungen, bei glühender Hitze, Hunger und Durst sowie unter ständiger Gefahr.

Wo immer diese Legionäre schließlich in Marokko ankommen - sie werden alle zu unserer Zentrale nach Tetuan gebracht. Leute, deren Heimtransport keine Schwierigkeiten macht, werden den zuständigen konsularischen Behörden avisiert, nachdem wir sie mit Zivilkleidung und mit etwas Geld versorgt haben. Die Bundesrepublik unterhält zu diesem Zweck in Tetuan eine Außenstelle des Konsulats Casablanca. Die Konsulate schreiben oder telegraphieren an die Heimatbehörden, ob die Personalangaben der Legionäre stimmen. Wird das bestätigt, so streckt ihnen das Konsulat das Reisegeld in die Heimat vor. Die deutschen Legionäre werden über Madrid repatriiert.

Mit der Bundesrepublik lassen sich diese Formalitäten gewöhnlich schnell erledigen, ebenso mit England, Amerika, den Niederlanden und den skandinavischen Staaten. Für Belgier dagegen müssen wir oft selbst auch noch die Heimreise bezahlen, für Angehörige der Ostblockstaaten die Reisekosten vorschießen. Am meisten imponiert uns die Haltung der Schweiz - ein Land mit einem Gesetz gegen die Fremdenlegion, das von heimgekehrten Legionären verlangt, daß sie ihre Aussagen über den algerischen Krieg unter Eid vor Gericht abgeben. Die Schweiz scheut sich auch nicht, über die Fremdenlegion mit dem französischen Nachbarland eine klare Sprache zu sprechen - anders als die Bundesrepublik.

Schwierig sind die Fälle von Staatenlosen oder Emigranten, die in ihre Heimatländer nicht zurückkehren wollen oder können. Sie sitzen oft monatelang auf unsere Kosten in Tetuan, bis wir sie irgendwo untergebracht haben. Doch arbeiten wir inzwischen gut mit dem Internationalen Roten Kreuz und dem Uno-Hochkommissar für das Flüchtlingswesen zusammen. Außerdem ist es uns auch gelungen, mit südamerikanischen Staaten Aufnahmeabkommen für ehemalige Legionäre zu schließen, die nirgendwo anders unterzubringen waren.

Während der Wartezeit geben wir den Repatriierungs-Kandidaten etwa sechs Mark in der Woche als Taschengeld. Sie bekommen außerdem Kleidung, Waschzeug, volle Verpflegung sowie ein Päckchen Zigaretten täglich und haben freie Unterkunft in FLN-Häusern.

Die marokkanischen Behörden unterstützen unsere Tätigkeit. Sie verzichten darauf, den Ex-Legionären, die ohne gültige Papiere nach Marokko gekommen sind, Schwierigkeiten zu machen, und verhelfen manchen von ihnen selbst zu Papieren, ja sogar zu einer neuen Existenz.

Nachdem wir einmal Kontakt mit so zahlreichen ausländischen Stellen und mit so vielen Legionären bekommen hatten, war es natürlich, daß wir auch versuchten, in bestimmte Ereignisse innerhalb der Legion selbst einzugreifen. Wir erfuhren zum Beispiel genaue Einzelheiten über die Ermordung des Schweizer Legionärs Joseph Ryf durch den französischen Hauptmann Sergeant. Wir unterrichteten die schweizerischen Behörden und die Öffentlichkeit. Eine schweizerische Untersuchung ergab die Richtigkeit unserer Unterlagen. Das Resultat: Der Hauptmann verschwand von der Bildfläche.

Ein anderes Beispiel: Wir erfuhren, daß die beiden wieder von den Franzosen eingefangenen Legions-Deserteure Bell aus der Bundesrepublik und Karglinus aus der DDR erschossen werden sollten. Wir alarmierten die Behörden beider Staaten. Beide reagierten in nützlicher Weise. Die Bundesregierung schickte sogar einen Rechtsanwalt für Bell, so daß ein ordnungsgemäßer Prozeß stattfand. Bell, ein Fleischerlehrling aus Köln, war höchstens 18 Jahre alt.

Wir haben außerdem mehrere Berichte darüber veröffentlicht, wie Legionäre von ihren Vorgesetzten brutal mißhandelt worden sind und haben damit zum Grimm der Franzosen erstmalig präzise Einzelheiten über bisher geheimgehaltene Vorgänge innerhalb der Legion bekanntgemacht. Aufgrund solcher detaillierter Veröffentlichungen erschienen zuweilen französische Untersuchungskommissionen, die in Einzelfällen eingriffen und Ordnung schafften.

Natürlich bestritten die Franzosen lange Zeit, daß es unseren Rückführungs-Dienst gebe, und hielten an der Behauptung fest, jeder entlaufene Legionär werde von uns umgebracht. Sie gingen sogar so weit, leere Särge feierlich begraben zu lassen - als "Beisetzung" des von uns ermordeten Legionärs. Einer von diesen "Begrabenen" hat denn auch in Deutschland erfahren, daß er in Algerien feierlich bestattet worden ist.

Die Angehörigen der Legion, besonders die Deutschen unter ihnen, werden heute schärfer überwacht. Deserteure, die wieder eingefangen werden konnten, wurden vor versammelter Mannschaft grauenhaft zugerichtet und mit harten Strafen bedacht. Außerdem wurden falsche Deserteure ausgeschickt - meist als Legionäre verkleidete Elsässer. Die algerischen Dörfer, deren Bevölkerung den vermeintlichen Deserteuren half, wurden dem Erdboden gleichgemacht.

Legionäre, die im Verdacht standen, mit der algerischen Befreiungsarmee Verbindung aufgenommen zu haben, wurden "verhört" und dabei gelegentlich zu Tode gefoltert. Das gleiche gilt für Algerier, die im Verdacht standen, an der "Abwerbung" beteiligt zu sein. So wurden zum Beispiel in Bedeau 60 Zivilisten, die denunziert worden waren, der Reihe nach gefoltert, drei von ihnen (darunter eine Frau) starben gräßlich verstümmelt.

Im Frühjahr dieses Jahres beschlossen die Franzosen, von der Existenz unseres Dienstes offiziell Kenntnis zu nehmen. Sie bemühten sich nun ihrerseits, im Ausland Propaganda gegen den Rückführungs -Dienst zu machen, und versuchten, jeden einzelnen Fall, den wir aufgriffen, unter großem Aufwand falscher Zeugen zu dementieren. Man begann, falsche Deserteure bis in unsere Zentrale nach Tetuan zu schleusen. Dort sollten sie unsere Organisation ausspionieren, um nach ihrer Rückkehr zu den Franzosen eindrucksvolle Schauermärchen erzählen zu können, wie schlecht sie bei uns behandelt worden seien.

Ein Fall dieser Art war der Doppelmörder ungarischer Abstammung Attila Semmere, den die Franzosen in einem Memorandum an die schweizerische Regierung als "Kronzeugen" für die Behauptung auftreten ließen, daß unsere Angaben erpreßt worden seien. Die Schweizer wußten es aber besser.

Wie wir inzwischen aus dem Hauptquartier der Legion erfahren haben, wird dort eine neue Verleumdungskampagne gegen uns vorbereitet, die uns vermutlich nicht allein Folterungen, sondern auch sowjetische Agententätigkeit vorwerfen wird. Als Kronzeugen für dieses Unternehmen sind einige bei uns durchgeschleuste falsche Deserteure in Aussicht genommen, unter ihnen János Goor, Lászlo Lukács, Lászlo Botocs, Franz Landwirt alias Robert Bauer und drei französische "Deserteure".

Falsche Deserteure haben auch schon einmal in unserem Büro in Tetuan eingebrochen und zur Veröffentlichung bestimmte Unterlagen gestohlen - merkwürdig, wo doch diese Unterlagen nach französischer Darstellung nur Fälschungen enthalten können.

Die Franzosen geben im Ausland die Wirksamkeit unseres Dienstes zu. Vor der Legion selbst behaupten sie aber, nur einige wenige "Auserwählte" würden von uns repatriiert - natürlich nachdem man ihnen die erwünschten Angaben erpreßt hätte. Außerdem Wird versucht,die "Massaker-Theorie" in Umlauf zu halten. So wurden am 16. Juli im Gebiet des Dschebel Aissa (Region von Ain Sefra) zehn Legionsdeserteure von einem Senegalesen-Regiment gefaßt und auf eine Weise getötet, die man in Frankreich als unsere Methode zu bezeichnen beliebt. Wir erfuhren von diesem Verbrechen und haben es selbst der Öffentlichkeit mitgeteilt. Ein späteres französisches Dementi beschuldigte, wie gewohnt, die algerische Befreiungsarmee, die Legionäre umgebracht zu haben.

Noch mit einer anderen Version versuchen die Franzosen, unsere Erfolge zu erklären. Sie behaupten, wir sammelten Material über die Fremdenlegionäre und "erpreßten" sie dann mit diesem Material, damit sie unserer Aufforderung zur Fahnenflucht Folge leisten. Dies ist zwar lächerlich - warum sollten wir auf einen

Legionär, der ein Verbrechen begangen hat, mehr Wert legen als auf einen anderen? Aber diese Behauptungen haben immerhin einen Vorteil für uns: Indirekt geben die Franzosen damit zu, daß in der Legion Dinge geschehen, die einige der Beteiligten "erpressungsfähig" machen.

Eine friedlichere Methode der psychologischen Kriegführung gegen uns besteht darin, Legionäre zum Schreiben von Briefen an Zeitungen abzukommandieren, in denen sie versichern, wie vortrefflich und harmlos die Legion ist. Mancher Verfasser solch befohlener Briefe hat sich später auch bei uns eingefunden. Außerdem kann die Legion natürlich auf die Vereine ehemaliger "in Ehren entlassener" Legionäre für entsprechende Brief-Kampagnen rechnen.

Der algerische Krieg wird von Frankreich gern als ein Nato-Krieg ausgegeben. Den Legionären wird immer wieder eingehämmert, daß sie dem Oberkommando der Nato unterstünden. Besonders den Deutschen wird erklärt, daß sie in der Bundesrepublik vor Standgerichte gestellt würden, falls sie desertieren sollten; denn die Bundesrepublik sei ja Mitglied der Nato. Es scheint mir sehr fraglich; ob man die französische Fremdenlegion als Nato-Truppe bezeichnen darf; immerhin verleihen die Besuche einiger deutscher Stabsoffiziere in Algerien* dieser Behauptung in den Augen der Legionäre einiges Gewicht:

Unter Berufung auf Nato-Interessen versucht, das öffentliche Frankreich auch, unser Auftreten und unsere Arbeit in den westlichen Ländern zu behindern. Das Deuxième Bureau der Legion verläßt sich jedoch nicht auf diplomatische Mittel, sondern bedient sich französischer Terror-Organisationen, die auch vor Drohungen mit Bombenanschlägen nicht zurückschrecken und die erfolgreicher sind, als manche Deutsche ahnen - am meisten ausgerechnet in der Bundesrepublik.

Bevor wir unsere eigene Repatriierungs -Organisation vollständig aufgebaut hatten, vermittelte ein deutscher Kaufmann namens Schulze-Lessum den Abtransport aus Nordmarokko.

Bundespräsident Heuss hat ihm für diese Tätigkeit das Bundesverdienstkreuz verliehen, der österreichische Bundespräsident das Goldene Verdienstzeichen.

* Eine In der Schweiz erschienene Broschüre mit dem Titel "Sie klagen an - Tatsachenberichte geflohener Fremdenlegionäre" von Franz Rispy, Riza-Verlag, Zürich, schildert diese grausamen Vergeltungsaktionen In allen Einzelheiten.

* Siehe "Bundeswehr", Seite 30.

Algerischer Kommissar Si Mustapha

Ein Regiment abgeworben

Legionäre: Die meisten kommen aus Neugier

Stuttgarter Zeitung

"In mir ist Europa längst vereinigt!"

Desertierte Legionäre: Rückfahrkarte auf Kredit

DER SPIEGEL 36/1959
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