25. Mai 2015
Als Frankreichs Eliteeinheit sind Fremdenlegionäre meist an der Spitze jedes Einsatzes. Die Truppe schreckt vor wenig zurück.
Aubagne.Der Pfiff ist meist kurz. Die Luft wird knapp durch die Zähne gepresst. Im Ergebnis entsteht ein schneidiger Ton, in manchen Ohren mag das auch militärisch klingen. Kombiniert mit Gesichtsausdruck und leichtem Kopfruck zur Seite bleibt jedenfalls kein Zweifel an der Bedeutung des Tons: So geht es nicht. Tabu. No go. Dafür ist kein Platz. Jedenfalls nicht hier in der Fremdenlegion.
Dieser Pfiff ist in Aubagne häufig zu hören. In der südfranzösischen Kleinstadt unweit von Marseille ist die Kommandozentrale der rund 6800 Mann starken Kampfeinheit angesiedelt. Bei Frankreichs Elitetruppe wirkt das akustische Signal doppelt. Die Entschlossenheit der Légion étrangère wird bekräftigt - und dem Außenstehenden verdeutlicht.
Missbrauchsvorwürfe schaden dem Ansehen
Kriminalität ist so ein Thema, das tonal begleitet wird. Eine Legion aus Räubern und Banditen sei „ein altes Klischee“, heißt es in Aubagne. Die Bewerber - nur etwa jeder achte wird genommen - können mit ihrer Vergangenheit brechen, ein neues Leben beginnen. „Diese zweite Chance ist sofort da - in diesem Moment.“ Aber seit 2009 wird genauer geprüft: keine schweren Jungs, keine Drogenkriminellen, keine Sexualverbrecher. „Regeln sind Regeln.“ Pfiff.
Entsprechend groß ist das Entsetzen in Aubagne über Berichte aus Zentralafrika, wo französische Soldaten von Kindern Sex für Lebensmittel verlangt haben sollen. Auch Legionäre sind dort im Einsatz. Missbrauch passt nicht zum Ansehen einer Armee, die mit ihren Kriegseinsätzen Freiheit und Frieden bringen will. Es wäre ein verheerender Imageverlust für Frankreich, seine Truppen und damit auch die Legionäre.
Die Fremdenlegion hat „die gleiche militärische Struktur, die gleiche Ausbildung, die gleiche Mission“ wie die anderen 93 Prozent französischer Bodentruppen. Befehle kommen also aus Paris, aber vielleicht sind in der Legion die Aufgaben klarer definiert: „Das Ziel ist der Kampfeinsatz, alle müssen kämpfen.“ Für das kriegerische Frankreich meist sofort. „Häufig sind wir die ersten“, sagt Generalmajor Jean Maurin, Kommandeur der Fremdenlegion.
„Wir suchen keine Rambos“, heißt es gleichzeitig in Aubagne. Offizier Alexander Rowe nennt einen der Gründe: „In Hollywood fliegen Kugeln nur in eine Richtung, im richtigen Leben gibt es auch Verletzte und Tote.“ Für Invaliden und Altgediente steht in Südfrankreich ein eigenes Alters- und Pflegeheim mit Produktions- und Werkstätten. Der hauseigene Weinanbau produziert – auch für französische Verhältnisse – sehr trinkbare Ergebnisse.
Rund 100 Deutsche sind mit dabei
Die Legionäre kommen aus rund 150 Ländern. Die deutsche Community schätzt Unteroffizier Florian S. auf rund 100 Soldaten. Das herrschende Bild von deutschen Kameraden klingt bekannt. „Wir gelten als zuverlässig, Arbeitstiere, pünktlich. Lieber solche Klischees als andere.“ Der 34-Jährige ist nach drei Jahren Bundeswehr per Legion der Arbeitslosigkeit entkommen. „Ich habe vor allem etwas gesucht, mit dem ich mich identifizieren konnte.“ Der gebürtige Bochumer hat inzwischen Haus, Pferde und Weinberg in Südfrankreich.
„Die Perspektivlosigkeit im eigenen Land ist häufig ein Faktor für den Weg in die Legion“, sagt der Historiker Christian Koller. Hinzu kämen meist materielle Probleme, mangelhafte Integration oder die Aussicht auf eine französische Staatsbürgerschaft, weiß der Uni-Professor aus Zürich von seinen Forschungen über die Legion. Und: „Abenteuerlust.“
Florian S. ist Scharfschütze. Als Sniper hat er Menschen erschossen. Wie viele? „Ich weiß es, aber darüber spricht man nicht.“ Er ist sich sicher: „Durch das, was ich getan habe, habe ich vielen Leuten das Leben gerettet.“ Sonst hätte „diese Person“ zwei Tage später „sich selbst und 20 Leute in die Luft gesprengt“, lautet seine Rechtfertigung. Und zu Hause? „Mein Sohn weiß, dass ich Scharfschütze bin, aber er sieht nicht die Tragweite.“ Seine Frau? „Einzelheiten bespreche ich nicht, sonst würde sie sich immer Sorgen machen, wenn ich aus dem Haus gehe.“
In Deutschland kann das strafrechtlich verbotene „Anwerben für fremden Wehrdienst“ mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Ein Fall aus der Fremdenlegion, der vor Gericht gelandet wäre, ist nicht bekannt. Auch andere Länder versuchten, sich per Gesetz gegen eigene Staatsbürger in Armeen anderen Ländern zu wehren, sagt Historiker Koller. „Die Franzosen hatten nach dem Zweiten Weltkrieg die Schnauze voll von Krieg und Militär.“ Schon seit 1831 rekrutiert Frankreich weltweit aus Mangel an eigenen Soldaten. Viele Wehrmachtssoldaten gingen nach Kriegsende und Gefangenschaft in die Fremdenlegion. Krieg konnten sie.
Ihr Geschäft ist das Kämpfen
Das Ansehen der geschichtsträchtigen Truppe hat sich laut Koller nach schwierigen Phasen wie Indochina- oder Algerien-Krieg vom Image als „Abenteurer und Schwerkriminelle“ in den vergangenen Jahrzehnten drastisch verbessert. „Die Legion gilt heute als durch und durch professionelle Truppe. Ihr Business ist Kämpfen“, sagt der Forscher.
Aber nicht immer ist die Fremdenlegion von der schnellen Truppe. Im Marschmodus lässt es die Eliteeinheit mit 88 Schritten pro Minute ruhig angehen. In anderen Verbänden sind 120 üblich. Bei der jährlichen Parade zum Nationalfeiertag am 14. Juli entsteht so auf den rund zwei Kilometer langen Champs Élysées eine deutliche Lücke zu anderen marschierenden Einheiten. Allerdings erwartet die Legion mit ihren auffälligen Pionieren - markanter Bart („Pioniere haben keine Zeit zum Rasieren“), Lederschürze, Axt - ähnlich rauschender Applaus wie sonst nur die Feuerwehreinheiten.
Schrullig wirkende Rituale gehören zur Legion. In Aubagne wird die hölzerne Handprothese von Hauptmann Jean Danjoudes, 1863 während der für die Legion historischen Schlacht im mexikanischen Camerone getötet, wie eine Reliquie in einem abgesperrten Ehrenraum mit Kreuzillumination präsentiert. In diesem Jahrhundert habe die Legion Geschichtspflege zum „identitätsstiftenden Merkmal“ entwickelt, sagt Historiker Koller. „Ganz konkrete Rituale sind Bindemittel für neue Legionäre.“
Die sieben Grundregeln der Truppe finden auf einem Kärtchen im Kreditkartenformat Platz, das jeder in der Tasche mit sich führen kann. Begriffe wie „Ehre“, „Treue“, „Disziplin“ oder „Kameradschaft“ prägen die wenigen Sätze. Kostprobe: „Der erteilte Befehl ist heilig, du führst ihn - unter Respektierung der Gesetze und international geltender Konventionen - bis zu seiner Erfüllung aus; sollte es nötig sein unter Einsatz deines Lebens.“
Die Kaserne wird zur Heimat, in der Frauen keinen Platz haben
Enrico P. kommt aus Dresden. Der 37-Jährige war mal Soldat in Deutschland. Da war „alles sehr taktisch, nicht so manuell. Ich suche eher den Kampf.“ Jenseits der Armee hat der Unteroffizierer dann irgendwann auch eine Frau gesucht. „Es ist schwierig, Lebensverbindungen aufzubauen, es gibt immer mehr Einsätze im In- und Ausland.“ In der Legion gilt die Gemeinschaft als Familie. Die Kaserne wird zum „Mutterhaus“.
Frauen haben da keinen Platz. „Der Männerbundcharakter ist noch stärker ausgeprägt als bei anderen Armeen“, sagte Legion-Experte Koller. „Frauen wären eine Gefahr für die Legion“, heißt es bis hinauf zur Kommandoebene, „es gibt auch keine Kandidatinnen, die sich bewerben.“ Enrico P. formuliert es anders: „Die Armee ist unisex, die Armee ist männlich.“
Lange Zeit gab es auch für Frauen die üblichen Fünf-Jahres-Verträge der Legion. Sie durften dienen - als Prostituierte in militärisch organisierten Bordellen. 1946 wurden Bordelle in Frankreich verboten. Ausnahme im Gesetz: die Fremdenlegion.