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Es war noch mitten in der Nacht, als Hauptmann Jean Danjou mit zwei Offizieren und 62 Fremdenlegionären aufbrach. Sein Befehl lautete, einen Konvoi mit Nachschub zu eskortieren, der mit Waffen, Munition und Geld die Belagerer der mexikanischen Stadt Puebla unterstützen sollte, die dem französischen Expeditionskorps den Weg nach Mexiko-Stadt blockierte. Am Morgen des 30. April 1863 versperrte eine ganze mexikanische Brigade, mehr als 2000 Mann, den Soldaten den Weg. Doch statt sich zurückzuziehen, beschloss Danjou zu kämpfen.
Camerone, der Name des Ortes, wo das folgende Gefecht stattfand, prangt seitdem auf Fahnen der französischen Fremdenlegion. Die Namen von Danjou und seiner beiden Leutnants, die den Tag ebenfalls nicht überlebten, wurden im Pariser Invalidendom verewigt: als vorbildliches Beispiel für den Opfermut und die Standhaftigkeit der Legion, ihren Auftrag bis zur letzten Patrone zu erfüllen. Der 30. April ist heute noch der Feiertag der Légion étrangère, der von der ganzen Truppe knapp 8000 Mann starken Elitetruppe der französischen Armee begangen wird.
Dass es sich bei Camerone ausgerechnet um eine Hazienda im fernen Mexiko handelte, erklärt sich aus der Tradition der Legion. Als König Louis Philippe 1831 die Formation einer neuen Truppe unterzeichnete, war es das erste Ziel, die zahlreichen Ausländer, die sich während der Restaurationspolitik Metternichs und nach der gescheiterten Revolution in Polen 1830 nach Frankreich geflüchtet hatten, ein militärisches Auffangbecken zu bieten. Um sich gegen innenpolitische Kritiker abzusichern, sagte Louis Philippe zu, dass die neue Einheit nur außerhalb Frankreichs eingesetzt werden dürfe. So wurde die Legion zur militärischen Speerspitze der französischen Kolonialpolitik.
Sie kämpfte in Nordafrika, vor allem in Algerien und auch in Spanien und verlor dort wiederholt fast ihren ganzen Mannschaftsbestand. Doch es fanden sich immer wieder genügend Rekruten, zumal Aufstände und Revolutionen in Europa genügend Menschen übrig ließen, die außer dem Soldatenhandwerk nichts gelernt hatten. Eine Eliteeinheit war die Legion nur bedingt. Ihre Soldaten hatten wenig zu verlieren und wurden von ihren französischen Offizieren auch nicht geschont.
Der Schweizer Schriftsteller Friedrich Glauser hat in seinem Romandebüt „Gourrama“ den Alltag in der Legion am Anfang des 20. Jahrhunderts aus eigener Anschauung beschrieben: „Die Fäulnis, die du hier antriffst: der Hass von Soldat zu Soldat, die Verleumdung, die Bosheit, alles, was es Niedriges im Menschen gibt, das Fehlen jeder schönen Gebärde – das drückt einen unglaublich nieder.“
Das Gegenbild lieferte der Kampf um die Hazienda Camerone am 30. April 1863. Da Mexiko seine Auslandsschulden nicht begleichen konnte, hatte Kaiser Napoleon III. im Jahr zuvor ein Expeditionskorps nach Mittelamerika entsandt. Da die USA im Bürgerkrieg gebunden waren, konnten die Truppen im Kampf gegen den mexikanischen Präsidenten Benito Juárez nach und nach Teile des Landes unter ihre Kontrolle bringen. 1864 wurde mit dem habsburgischen Erzherzog Maximilian, einem Bruder von Franz Joseph I., ein Kaiser von Frankreichs Gnaden installiert. Er sollte 1867 vor dem Erschießungspeloton der letztlich siegreichen Aufständischen enden.
Kaiser Maximilian I. von Mexiko (1832–1867)
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Doch bis dahin war es 1863 noch weit. Um den erwarteten Nachschub nicht in die Arme der Mexikaner fallen zu lassen, verschanzte sich Hauptmann Danjou mit seinen Legionären hinter den Mauern des Landgutes. Es war ein höchst ungleicher Kampf. Oberst Francisco de Paula Milán, von Juárez zum Militärbefehlshaber von Veracruz erhoben, verfügte über 1600 Infanteristen und 600 Reiter. Miláns Aufforderung, sich zu ergeben, beantwortete Danjou mit den Worten: „Wir haben noch Munition, und wir ergeben uns nicht!“ Anschließend schwor er vor seinen Männern, sich bis zu seinem Tod zu verteidigen. Sie folgten seinem Vorbild. Gegen 10 Uhr begann der mexikanische Angriff.
Die Fremdenlegionäre schlugen sich verbissen. Unter sengender Sonne, ohne Wasser und Nahrung, warfen sie Angriff auf Angriff zurück. Gegen Mittag wurde Danjou tödlich getroffen, um zwei Uhr fiel einer seiner Leutnants. Als die Mexikaner begannen, Feuer an die Hazienda zu legen, wehrten sich die Legionäre immer noch. Die meisten von ihnen waren verwundet.
Noch heute feiert die Fremdenlegion den 30. April als Ehrentag
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Als Milán am Abend den letzten Sturm befahl, waren nur noch ein Leutnant und fünf Legionäre übrig. Sie zogen sich in eine Ecke der Ummauerung zurück, pflanzten ihre Bajonette auf und stürzten sich auf die Angreifer. Nachdem drei von ihnen gefallen waren, forderte ein mexikanischer Offizier die Überlebenden noch einmal zur Aufgabe auf. „Wir ergeben uns nur, wenn ihr uns versprecht, dass wir uns um unsere Verwundeten kümmern können und dass wir unser Waffen behalten können“, lautete die Antwort. Es wurde ihnen gewährt.
Es zeigte sich, dass 31 Legionäre nur verwundet waren. Sie kamen in Gefangenschaft, die die meisten allerdings nicht überlebten. Mehr als 300 Mexikaner sollen gefallen sein. Der Konvoi kam nach Puebla durch, das kurz darauf fiel. Wenig später zogen die Franzosen in Mexiko-Stadt ein. Am Ort der Schlacht aber wurde 1892 ein Denkmal errichtet: „Hier standen sie gegen eine ganze Armee – deren Masse hat sie erdrückt.“
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