«Hey, hast du einen Schraubenzieher?», ruft der asiatische Legionär von der Leiter. Der vorbeigehende Waffenbruder schüttelt den Kopf und pfeift seine Melodie weiter. «Warum nicht?», insistiert der Thailänder vorwitzig. Nun lacht der schneidige Nordafrikaner mit seinen blitzenden Zähnen: «Ich sag doch, ich hab keinen Schraubenzieher. Ich hab nur Mut!»

Auf Französisch tönt das noch besser: Courage. Wie anno 1863 im mexikanischen Camerone. Damals, es war der 30. April, stoppten 65 Legionäre einen Tag lang den Ansturm von 2000 Mexikanern, darunter 800 Reitern. Hauptmann Danjou verbarrikadierte sich mit seinen Mannen in einer Hazienda und hielt bei sengender Hitze ohne Nahrung und ohne Wasser bis zum letzten Blutstropfen aus.

Am Abend war noch eine Handvoll der schlecht bewaffneten Infanteristen am Leben. Als jeder nur noch eine Patrone hatte, feuerten sie eine letzte Salve ab und griffen die feindliche Übermacht mit blankem Bajonett an. Sie fielen mit «Ehre und Loyalität», wie die Legionsdevise lautet. Dank ihres Ausharrens konnte die französische Armee einen Konvoi nach Puebla durchbringen und danach Mexiko erobern.

Jetzt, exakt 150 Jahre später, haben sich Vertreter der elf Legionsregimenter an ihrem Hauptstützpunkt in Aubagne bei Marseille versammelt. Der Thailänder hat die grün-rote Flagge auch ohne Schraubenzieher an der Mauerspitze befestigt. Tausende von Zaungästen sitzen um das Exerzierfeld und gedenken des heroischen Kampfes in Camerone. Es ist totenstill im Rund, nur die Standarten flattern wie Pistolenschüsse im Mistral.

Endlich setzt sich das erste Regiment in Bewegung, breitbeinig, im majestätisch langsamen Rhythmus der Legion. Mit weissen Képis, roten Epauletten und grünen Krawatten schmettert eine Blechmusik die Marseillaise, dann hält der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian eine Ansprache an die «grosse Familie der Fremdenlegion, deren Kampfmut in Camerone allen Soldaten bis in die gegnerischen Reihen Respekt abverlangt.» Erst am Vortag, so der Minister weiter, sei der Korporal Duval im Norden Malis gefallen.

Das Fallschirmjäger-Regiment der Fremdenlegion war in Mali seit Beginn der französischen Operation Serval im Januar 2013 an vorderster Front dabei. «Diese Soldaten sind der Stolz Frankreichs, Beispiel der nationalen Integration», meint Le Drian mit Verweis auf das Legionsprinzip der «zweiten Chance». Damit ist die Möglichkeit der gemusterten Rekruten gemeint, ihr früheres Leben hinter sich zu lassen und mit dem Eintritt in die Legion eine neue Identität anzunehmen.

Bisweilen gar eine neue Nationalität. Einige Legionäre erhalten einen Verdienstorden für Tapferkeit vor dem Feind. Ein Legionär aus Madagaskar, der im Rollstuhl angerollt wird, aber unbedingt aufrecht stehen will, erhält für eine Bravourleistung in Afghanistan die französische Staatsbürgerschaft. Er habe darauf nach dem «Gesetz des vergossenen Blutes» Anrecht, verkündet eine Lautsprecherstimme. 36 000 Legionäre seien in fast zwei Jahrhunderten für die Nation gefallen. «Ruhm all diesen Ausländern, die einige der schönsten Seiten der französischen Geschichte geschrieben haben!», tönt es aus dem Lautsprecher.

Es folgt die eigentliche Truppenparade, angeführt von den Pionier-Legionären mit ihren Lederschürzen, Äxten und ebenso imponierenden Bärten. Fahnenträger bringen die hölzerne Handprothese des Hauptmanns Danjou in die Krypta der Legion. Sie wurde in Camerone gefunden und stellt seither das heiligste Relikt der Truppe dar.

Im gleichen Gebäude wird an diesem Tag das neue Museum der Fremdenlegion eingeweiht. Wüstenuniformen, Orden und Medaillen, Spuren der historischen Garnison Sidi-bel-Abbès in Algerien zeugen von der bewegten Geschichte der mythischen Kampftruppe, der einzigen in Frankreich neben den U-Boot-Besatzungen, die bis heute ohne Frauen auskommt. «Gott weiss, dass es besser wäre, tief in den Seidenkissen und parfümierten Duvets im zarten Schlummer der Liebe zu liegen», heisst es in einem Gedicht des amerikanischen Ex-Legionärs Alan Seeger an der Museumswand. «Aber ich habe ein Rendezvous mit dem Tod. Und ich halte Wort: Dieses Rendezvous werde ich nicht verpassen.»

Irgendwo singt Edith Piaf «Mon Légionnaire», das Hohelied auf den Soldaten, der «gut nach Sand schmeckte»: «Er war voller Tätowierungen, die ich nie recht verstanden habe. Auf seinem Hals hiess es ‹nicht erblickt, nicht ergriffen›.» Daneben zeigt das Museum eine Ausstellung tätowierter Kämpfer. In einen der breiten Rücken ist «Légion Etrangère» eingebrannt, zweistöckig, von Schulterblatt zu Schulterblatt. «Bei uns sind fast alle tätowiert», erklärt Wachtmeister Robert im Tarnanzug. «Wir haben die Legion eben in der Haut.»

«Legio patria nostra» – «Die Legion ist unser Vaterland» – steht am Eingang des Gebäudes. Man verpflichtet sich für mindestens fünf Jahre und bricht die Brücke zu seiner Vergangenheit, Heimat und Herkunft ab. Auch familiär: Der einmal aufgenommene Legionär gilt laut der Musterungsbroschüre «unabhängig von seiner realen Familiensituation als ledig.» Trotzdem stehen die Kandidaten in Aubagne Schlange – aber nur jeder Zehnte wird angenommen. Mörder und Vergewaltiger sind heute zum Vornherein ausgeschlossen, meint Hauptmann Fraysse; bei den übrigen gebe notfalls Interpol Auskunft. Geht so das Legionärsimage als «mauvais garçon», als schlecht beleumundeter Abenteurer, nicht verloren? «Nicht ganz», schmunzelt Fraysse und fügt an, selbst die wildesten Jungs würden im Zaun gehalten durch die eiserne Disziplin, den legendären Gehorsam und das Traditionsbewusstsein der Legionäre.

7200 sind es derzeit noch, Tendenz aus Spargründen leicht abnehmend. Sie dienen in elf Regimentern in Südfrankreich, Korsika, Französisch-Guayana, Mayotte und den Arabischen Emiraten. Derzeit stammen sie aus nicht weniger als 140 Nationen; 40 Prozent kommen aus Osteuropa, 15 Prozent aus Afrika und dem arabischen Raum, zehn Prozent aus Asien, der Rest aus dem Westen. «Frankreich nimmt alle auf», sagt Oberst Cyrille Youchtchenko mit Stolz und slawischem Akzent. «Unser Kitt ist die französische Sprache. Sie ist das Vehikel unserer Integration in Frankreich.»

Die Aufstiegschancen der Multikulti-Krieger sind allerdings beschränkt: Die höchsten Offiziere sind Franzosen. «Wir sind keine internationale Truppe, wir gehören zur französischen Armee», rechtfertigt sich der Kommandant der Legion, General de Saint-Chamas, ein Mann voller Esprit, der nicht von Drill spricht, sondern elegant sagt: «Unsere Pädagogik ist die Wiederholung.» Die Haudegen sind die anderen, die echten Fremden unter den Legionären. An Weihnachten – sie wird «en famille» gefeiert, das heisst in der Legion – habe er ein paar Paras besucht, erzählt der General. «Wir wollen Action», seien die ihm in den Ohren gelegen. «Ich sagte ihnen, habt Geduld, haltet euch bereit. Und schon im Januar sprangen sie in Mali über Timbuktu ab.» Das war für die Jungs auch eine Art Weihnachtsbescherung.