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Ehre oder Tod 10042010

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Artikel vom 10.04.2010 © Eßlinger Zeitung

„Einer deutschen Mutter Sohn, der ging zur Fremdenlegion“: Von der rätselhaften Faszination einer berüchtigten Truppe 

All diese Geschichten und Mythen. „Was waren Sie, bevor Sie zur Legion kamen?“ „General, mon Caporal.“ Oder die von dem Israeli, der hört, dass der SS-Mann, der seine Familie ermordet hat, in der Anonymität der Fremdenlegion Zuflucht gesucht habe. Er folgt ihm in die Legion und ersticht ihn in Dien Bien Phu. Weniger spektakuläre, jedoch Spuren hinterließ die Legion aber auch im deutschen Alltag. Besonders in französischen Garnisonsstädten, in Tübingen etwa. Die Straße hieß Allee Capitaine Danjou und war auf keinem Tübinger Stadtplan verzeichnet. Sie lief parallel zur Alexanderstraße und endete am Denkmal für die im April 1945 bei der Einnahme von Stutt­gart gefallenen Legionäre und für einen Artilleristen der französischen Armee. Sie führte entlang eines einstöckigen Gebäudes, das dem im Ersten Weltkrieg errichteten Lazarett des kaiserlichen Heeres als Leichenhalle gedient hatte. Deshalb war es damals nicht besonders auffällig, aber geräumig ausgefallen. Einzig eine kleine Treppe mit zwei Säulen brachte einen unerwartet feierlichen Ton in das Ensemble.

Das war lange Zeit der letzte Tübinger Stützpunkt der Fremdenlegion, die Amicale des Anciens de la Lé­gion Étrangère (A.A.L.E.) hatte hier ihren Treffpunkt. Zweimal die Woche, dienstags und donnerstags, trafen sich die Veteranen. Es gab den Rotwein der Legion. Die Wände waren geschmückt mit Abzeichen und Fotografien. Auf dem Tresen stand eine Skulptur von General Rollet, bekannt als „Vater der Le­gion“. Er trug nie Hemden und hatte immer einen Regenschirm bei sich, auch wenn es zum Gefecht in die Sahara ging. In den 50er-Jahren war das Lokal noch als Texas Bar berüchtigt, die GIs kam aus Böblingen herüber zu Zechgelagen und Schlägereien unter Alliierten.

Blutwurst zum Festtag

Capitaine Danjou ist der Mythos der Legion, die ihre Niederlagen mehr feiert als ihre Siege. Ehre oder Tod, am besten beides. Während der mexikanischen Kampagne in den 1860er-Jahren zur Einsetzung des unglücklichen Habsburgers Maximilian als Kaiser von Mexiko hat Danjou mit zwei Offizieren und 60 Legionären einer Übermacht von 10 000 Mexikanern bis zum 30. April 1863 standgehalten. Seitdem gehört der Tod zum Mythos der Truppe. Die Farben der Legionsfahnen sind Grün und Rot. Das Rot ist unten. Weil Blut den Boden färbt. Das Kaff in Mexiko hieß Camerone. Der 30. April ist seither der Feiertag der Legion. Herzstück der Parade ist die Verlesung des Schlachtberichts durch den jüngsten Leutnant der Einheit. Vielmehr verliest er ihn nicht, er kennt ihn auswendig. Beim anschließenden Fest gibt es Boudins, Blutwürste.

Damals sei es den Mexikanern gar nicht darauf angekommen, die Einheit des Capitaine Danjou zu besiegen. Der einarmige Capitaine war Verwalter der Kriegskasse. Die wollten die Mexikaner haben, sagt Jochen Pflumm skeptisch. Der 56-jährige Eisenbahner wohnt am Tübinger Sternplatz, hat nie gedient, auch nicht in der Legion. Seit langen Jahren ist er Vereinsvorsitzender der Amicale. Er weiß alles über die Legion, auch die Fußnoten der Sekundärliteratur.

Am Camerone-Tag tragen die Veteranen einen blauen Blazer, graue Hosen und eine grüne Krawatte, die aktiven Legionäre zu ihrer Uniform ein grünes Barett und ihre Orden. Es findet eine kleine Parade statt mit Trompetensignalen. Aber nur die Anfangstakte der Marseillaise, „weil keine Truppenfahne dabei ist“, erklärt Pflumm.

Danach gibt es die Boudins und den Rotwein der Legion. Sie hat in Puyloubier, zehn Kilometer von Aix-en-Provence, ein eigenes Weingut. Blutwurst zeugt von einem sarkastischen Humor: Die Legionäre nannten auch ihre exakt gerollte, an beiden Enden gebundene, übers Marschgepäck geschnürte Wolldecke so. Sie war eigentlich blau, der Saharastaub hat sie rot gefärbt.

Dort in Nordafrika war die Heimat der Legion. Sie war eine Truppe der kolonialen Expansion, seit sie 1831 durch König Louis Philippe aufgestellt wurde: als Armee von Freiwilligen aus aller Welt, ohne Rücksicht auf nationale Herkunft oder Reli­gion. Gegen solche Rekrutierungsversuche blieben Widerstände von staatlicher Seite nicht aus. Länder wie Deutschland, Österreich oder die Schweiz sanktionieren bis heute den Dienst oder zumindest die Anwerbung ihrer Staatsangehörigen für die Fremdenlegion.

Algerien war 1830 von Frankreich dem Osmanischen Reich entrissen und besetzt worden. Das schien zunächst ein Spaziergang zu sein, militärisch ein Kinderspiel. Am ersten Tag der Landung in Algier brachten die Franzosen über 1000 Backöfen ans Land: Die Versorgung mit Baguettes sollte jederzeit sichergestellt sein.

Bloß kein Müßiggang

So schnell die Osmanen besiegt waren, so unruhig blieben indes die Araber im ganzen Maghreb und vor allem die Berber in Kabylei. Die Legion errichtete mittendrin, in Sidi-bel-Abbes, ihr Hauptquartier und sorgte für Ruhe und Ordnung. Wenn es an der Front gerade mal friedlich war, klopften die Legionäre Steine und bauten Straßen in der Wüste. Müßiggang musste auf jeden Fall vermieden werden. Unbeschäftigte Legionäre meutern, fürchtete man. Oder desertieren. Das scheint in der Tat deren „Hauptsportart“ gewesen zu sein, behaupten zumindest die Kritiker der Legion.

Sie können allerdings nicht die Faszination erklären, welche die Fremdenlegion vor allem auf deutsche Männer ausübte. Für Aufsehen sorgte etwa Prinz Albert Friedrich von Hohenzollern, der Cousin von Kaiser Wilhelm II., der sich 1897 der Truppe anschloss. Ernst Jünger floh als 17-Jähriger in die Legion. Der mecklenburgische Bürgermeister Paul Trömmel verschwand Anfang des 20. Jahrhunderts zwei Mal spurlos - und tauchte jedes Mal in Sidi-bel-Abbes wieder auf. Er hat darüber ein Buch geschrieben mit dem umwerfend komischen Titel „Vom Bürgermeister zum Fremdenlegionär. Das Rätsel meines Lebens.“ Statistiken zufolge dürften die Deutschen in der Geschichte der Legion meist das größte Kontingent gestellt haben.

„Die Fremdenlegion ist etwas, das von Traditionen zusammengehalten und von Legenden, hauptsächlich falschen, umgeben wird“, sagt Günter Fauner, der Schriftführer der Tübinger Amicale. Keine Legende scheint jedoch die in der Legion offenbar weit verbreitete Homosexualität zu sein. Die Araber sprachen deshalb von „Madame la Légion“. Und der spätere Por­zellanfabrikant und SPD-Politiker Philip Rosenthal, der wegen seiner jüdischen Herkunft vor den Nazis geflohen und während des Zweiten Weltkriegs in der Fremdenlegion war, überliefert in seinen Erinnerungen ein deutsches Legionärs­lied: „Einer deutschen Mutter Sohn,/ Der ging zur Fremdenlegion;/ Französisch lernt er nicht verstehn,/ Aber Arschficken und Zigarettendrehn.“

Eher schon gehören manche von den Desertionen angeregten Darstellungen ins Feld der Legende. Tatsächlich dürfte es schwieriger sein, in die Elitetruppe hineinzukommen als wieder heraus. Die Anwerbung für die Fremdenlegion stellt das deutsche Strafgesetzbuch unter Strafe. Mit der Unterzeichnung der Pariser Verträge 1955 verzichtete Frankreich formell auf die Anwerbung auf deutschem Boden (was im Online-Zeitalter wenig besagt: Heute wirbt die Légion Étrangère eben mit einer deutschsprachigen Bewerber-Website). Vor 1955 gab es mehrere offizielle Anwerbestellen, zum Beispiel in Neustadt an der Weinstraße, und zahlreiche inoffizielle - in Tübingen etwa eine Kneipe beim Bahnhof, die als „Der schnelle Heiner“ bekannt war. Die Neustädter Anwerbestelle war von Polizisten und Sozialarbeitern regelrecht umstellt, die allein reisende junge Männer schon auf dem Bahnhof abfingen. Auch die Medien warnten energisch vor der Legion. Aber jedes Mal, wenn ein großes Blatt einen Skandalbericht veröffent­licht hatte, stiegen die Bewerberzahlen. Der Misserfolg führte zum Ende der Medienkampagne.

Verhöre bei der Kripo

In den 20er-Jahren war die Vernehmung rückkehrender Legionäre durch die deutsche Kriminalpolizei obligatorisch. Warum sie in die Legion eingetreten seien? Habe man sie gezwungen? Wie sie behandelt worden seien? Im November 1931 wird der Tübinger Metzger Karl K., Jahrgang 1906, vernommen. Laut dem im Tübinger Stadtarchiv aufbewahrten Protokoll ging er 1926 „wegen Arbeitslosigkeit“ zur Le­gion: „ Ich kam dann nach Marokko zum 4. Regiment. Ich kam sofort in die Küche und blieb dort zwei Jahre. Weil meine Zeit in Marokko abgelaufen war, bin ich wieder nach Algier zurück. Dort wurde ich bestimmt, das Fleisch für das Regiment auszugeben. Dort blieb ich bis zu meiner Entlassung. Ich habe nie ein Gefecht mitgemacht. Sobald ich meine Papiere habe, gehe ich wieder nach Sidi-bel-Abbes, will mich dort verheiraten und ein eigenes Geschäft anfangen. Ich hatte dort schon ein Kolonialwarengeschäft. Das wird von meiner Braut be­trieben.“

Was selbst aus diesen protokollarisch dürren Zeilen spricht: Die Legion versprach Exotik und eine neue Heimat. „Legio patria nobis“, die Legion ist unser Vaterland, lautet ihr Motto. Auf Wunsch konnten die Bewerber anonym eintreten, was die Legion in den Ruf brachte, ein Trupp untergetauchter Verbrecher zu sein. In solcher Pauschalität dürfte dieser Vorwurf jedoch kaum aufrecht zu erhalten sein. Immerhin bekamen die Legionäre eine neue Identität und nach einigen Jahren das Anrecht, französische Staatsbürger zu werden. Pensionsanspruch und Platz im Veteranenaltersheim eingeschlossen. Trotzdem bestand der Korpsgeist genau darin, dass die Legion und nicht Frankreich die Heimat der Legionäre ist.

Dafür nahmen die Fremdenlegionäre den berüchtigten, an die Grenze der psychischen und physischen Belastung gehenden Drill in Kauf - sofern er nicht als extreme „männliche“ Herausforderung sogar zu den Attrak­tionen zählt. Als Karl Mim­ler, ein Mitglied der Tübinger Amicale, 1952 Legionär wurde, kam er sich vor „wie in der Waffen-SS“. In Mimlers Einheit in Indochina waren 90 Prozent Deutsche. Aber die Legionäre wollten überleben - ganz im Gegensatz zum Klischee, sterbende Legionäre würden den Tod mit einem gehauchten „Endlich“ begrüßen. In Vietnam hatten die meisten eine einheimische Frau und Kinder. Sie verdienten die Hälfte eines deutschen Industriearbeiters, dort waren sie Großverdiener.

Der Krieg war die Hölle, doch Vietnam erschien vielen Legionären wie ein Paradies. Mimler erinnert sich an die massive Lautsprecherpropaganda zur Desertion in Dien Bien Phu. Einige sind dem gefolgt: geflüchtet aus der BRD, desertiert in die DDR. Nach Algerien verlegt zu werden, war unattraktiv. Der Sold war dort geringer und ein anderer Krieg im Gange, der zum Bürgerkrieg zu werden drohte. Beim Rücktransport der Legionäre aus Indochina nahmen die Schiffe bald den Umweg um das Kap der guten Hoffnung. Im Suez-Kanal waren zu viele desertiert. Sie mussten dort nur über Bord springen.

Günter Fauner, der 1958 Le­gionär wurde, sagt, dass in Algerien aus Sicht der Le­gionäre ein „schmutziger Krieg“ tobte. Was das bedeutet, beschreibt er folgendermaßen: „Wenn du einen Algerier geohrfeigt hast, hast du die größten Schwierigkeiten gekriegt, weil ja alles französische Bürger gewesen sind.“ Ob er denn Deutscher sei, wurde Fauner von einem Berber in einem Dorf in der Kabylei gefragt und ins Haus gebeten. Hinter einem Vorhang hing das Prunkstück, eine sorgfältig gebügelte Uniform der Hilfstruppen von Rommels Afrika-Korps.

In Putsch-Pläne hineingezogen

Politisch war der Algerien-Krieg bald verloren, militärisch wurde er nicht gewonnen. Die französische Armee zerbrach an ihrem massenhaft eingesetzten Instrument: der Folter. Die Legion wurde in die Putsch-Pläne der OAS-Generäle hineingezogen (OAS: Organisation de l'armée secrète, auf Deutsch: Organisation der geheimen Armee). Das erste Fallschirmjäger-Regiment sollte 1961 in Paris über den Champs Elysee abspringen und Staatspräsident Charles de Gaulle verhaften. Die Flugzeuge standen schon bereit, als die Rädelsführer verhaftet ­wurden.

Es schien, dass sich die Legion nie mehr erholen würde. Das Offizierskorps wurde ausgetauscht, Algerien geräumt, die Reliquien aus Sidi-bel-Abbes nach Aubagne in Südfrankreich gebracht. Darunter natürlich auch die Handprothese des Capitaine Danjou. Mit deutlich reduzierter Mannschaftsstärke ist die Legion heute Teil der französischen schnellen Eingreiftruppe, sei es in Afrika, dem Balkan oder in Afghanistan. Nachwuchssorgen kennt die Legion nicht.

Unhaltbare Positionen sind aufzugeben: Das ist ganz gewiss nicht die strategische Regel, der die Legion gefolgt ist. In Tübingen haben sie ihre Bar aufgegeben. Das Denkmal für die Gefallenen Legionäre wanderte nach Münsingen, wo auf dem Gelände des ehemaligen Truppen­übungsplatzes der Wehrmacht eine Art Denkmalpark entstanden ist. Das kaiserliche Leichenschauhaus in Tübingen wurde abgerissen, an seiner Stelle entstand eine feine Wohnanlage, der Alexanderpark.

 

Von Fred Keicher


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